Der richtige Umgang mit Lautheit im Soundtrack

Austausch zum Kreativen arbeiten mit Wings X
Exchange on creative work with Wings X
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Dieter Hartmann
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Hallo allerseits,

wie versprochen hier ein Link zu einem Artikel über die EBU-Empfehlung R128 zur standardisierten Lautheitsmessung:
https://www.delamar.de/mastering/r128-14870/
Quelle: www.delamar.de

Diese detailierten Infos richten sich primär an ambitionierte Anwender und daher habe ich hier noch ein paar verständliche Praxistipps ergänzt wie ihr zu ausgewogener Lautheit und guter Dynamik im Soundtrack kommt.

Umgang mit Lautstärke und Aussteuerung
Vielleicht habt ihr schon bemerkt, dass die Lautstärkeunterschiede von Pop-Musik zu Klassik, aber besonders auch zu eigenen Aufnahmen sehr groß sein können. Das liegt an der Lautheitsoptimierung durch Kompressoren und Limiter, die praktisch in allen Tonkonserven enthalten ist, nur in euren eigenen Aufnahmen meist nicht. Für die Beurteilung der subjektiv empfundenen Lautheit bietet Wings X den so genannten RMS-Level. Er darf jedoch nicht mit dem Peak-Level verwechselt werden, der lediglich für eine nummerisch korrekte Aussteuerung Gültigkeit hat. Beachte bei der Gestaltung deines Soundtracks folgendes:
  • Für den Aufbau eines Soundtracks ist es empfehlenswert, die ersten Musikstücke direkt nach dem Einfügen in die Tonspur um 10 bis 15 dB über die Eigenschaften der Tonobjekte abzusenken. Den Verstärker der Tonanlage musst du dann etwas lauter einstellen. Nun hast du genügend Spielraum, leiser wirkende Tonobjekte in der Lautstärke anzupassen, damit sie sich harmonisch einfügen.
  • Wenn du nun den Soundtrack Tonobjekt um Tonobjekt ergänzt, stellst du die Lautstärke in den Objekteigenschaften nach Gehör immer so ein, dass sich das neue harmonisch in den übrigen Soundtrack einfügt. Dabei kannst du den RMS-Level als Orientierung zu Rate ziehen.
  • Zu Beginn einer Arbeitssitzung kann es nicht schaden, wenn du durch Anhören des schon erstellten Teils einen Bezug für deine Ohren schaffst. Höre deinen Soundtrack auch möglichst immer mit der gleichen Lautstärkeeinstellung am Verstärker ab. Für das Abhören solltest du gute Monitorboxen verwenden (Empfehlung Neumann KH80 DSP), die speziell für diese Aufgabe optimiert sind.
  • Mache rechtzeitig Pause, damit deine Ohren nicht überfordert werden. In Mammutsitzungen über viele Stunden bist du nicht in der Lage, Klang oder Lautheit richtig zu bewerten.
  • Höre lange Soundtracks nach der Fertigstellung in einem Durchgang an. Dazu solltest du unbedingt frisch und ausgeruht sein, denn nur so kannst du die Harmonie in der Gesamtheit beurteilen und ggf. Korrekturen vornehmen.
  • Erst wenn dein Projekt fertig ist, stellst du die Aussteuerung des Soundtracks mit der Spitzenpegelsuche ein, die du in Wings X unter "Export - Audio Peak Search" findest.
So, nun wünsche ich dir viel Erfolg beim Gestalten deines Soundtracks.

Viele Grüße
Dieter
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Hans Thurner
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Lieber Dieter,

vielen Dank für deinen informativen Beitrag und den Link zu dem auch für Laien verständlichen Artikel auf der delamar-Seite. Die Seite ist insgesamt sehr informativ – die werde ich mir merken! Ich finde es immer spannend zu erfahren, wie breit gefächert und komplex Themen sind, die außerhalb des eigenen Kompetenzbereichs liegen.

Ich werde in meinem Leben wahrscheinlich kein Tontechniker mehr werden, aber Informationen wie diese finde ich sehr hilfreich fürs eigene „Herumwerkeln“ an den Tonreglern 😊.

Liebe Grüße,
Hans
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Hans Thurner
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Hallo Dieter, gleich wieder ich,

zu deinem letzten Punkt: Erst wenn dein Projekt fertig ist, stellst du die Aussteuerung des Soundtracks mit der Spitzenpegelsuche ein, die du in Wings X unter "Export - Audio Peak Search" findest.

Um den „Spitzenpegel“ zu suchen, muss man ja zuerst alle Audio-Objekte im gesamten Projekt markieren. Dabei bin ich jetzt kurz angestanden, weil in Wings X die Audiodateien nicht mehr auf eigenen Spuren sein müssen und sie sich (zumindest in meinem Fall) nicht separat alle auf einmal markieren lassen. Händisch herauszusuchen und einzeln zu markieren, ist unpraktikabel. Der Audio Peak Search funktioniert aber auch, wenn man einfach alle Objekte (Bild, Video, Marker, ...) zwangsläufig mitmarkiert. Es irritiert zwar ein bisschen, den Peak Search auf alles anzuwenden, aber es klappt. Die Möglichkeit, „Alle Tonobjekte“ auswählen zu können, wäre wahrscheinlich logischer. Aber vielleicht übersehe ich etwas?

Hans
Gerhard.BN
Beiträge: 281
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Hallo Hans,

wenn Du gar nichts selektierst und dann Audio Peak Search durchführst, werden automatisch nur die Audio-Objekte verwendet.

Viele Grüße
Gerhard
WIN 10 64 bit / Wings X Pro 2.7.0
nokl
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Vielleicht eine Option für den Workflow

Viele nutzen verschiedene Musiktitel zur Untermalung. Vom hochkomprimeirter Rockmusik, über zarte "einlullende" Synthie-Klänge ist ja alles dabei.

Ich mache es wie folgt:

Zum Einsatz kommen dazu folgende Softwareprodukte:
Foobar
Foobar-PlugIn EBU128 Normalizer

Ich such mir ALLE meine gewünschten Musiktitel passend zu den Szenen raus und packe die in eine schnell erstellte Playlist in Foobar.

Nachdem alles zusammengesucht ist, werden alle Musiktitel markiert und im Unternemü "Convert" mit dem EBU128-Normalizer in automatischer Stapelverarbeitung auf ein angelichenes Lautheitsniveau gebracht. Je nach Rechnerleistung ist das mehr oder weniger in ein paar Sekunden erleidgt.

WICHTIG!!!!. In den Vorgaben zur Normalisierung UNBEDINGT ein neues Zielverzeichnis angeben, da sonst die Originale verändert werden. Und das wollen wir wahrscheinlich nicht.

Für die Show stehen somit alle Musiktitel mit ungefähr gleichem Lautheitsempfinden zur Verfügung und diese können in Wings ohne weitere/größere Bearbeitungsschritte in Sachen Lautheit eingesetzt werden. Evtl. noch bei einigen Übergängen manuell etwas anpassen.


Im Scrennshot des Musicscope kann man erkennen, dass bei einer Aufnahme nach der EBU-Berechnung, die Dynamik - wie im Original -extrem hoch bleibt (stark "gezacktes" Kreisdiagramm) und der RMS-Peger (gibt einen UNGEFÄHREN Eindruck zum Lautheitsempfinden) bei ~-20 dB liegt.
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muster_ebu.jpg (87.91 KiB) 4877 mal betrachtet


Hier das genaue Gegenteil, eine hochkomprimierte Aufnahme, aber auch hier zeigt die RMS-Anzeige ~-20dB nach der EBU-Berechnung
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muster_ebu2.jpg (72.65 KiB) 4877 mal betrachtet

Diese -20 dB ziehen sich wie ein roter Faden durch alle mit dem Foobar-Tool berechneten Musikfiles durch und somit ist der Lautheitseindruck UNGEFÄHR gleich.


PS
Die Methote kann auch eingesetzt werden, wenn man sich für's Auto einen Musik-Stick zusammenstellt, um nicht ständig am Lautstärkeregler drehen zu müssen.
nokl
Beiträge: 8
Registriert: 11. Jan 2022, 11:18

Vielleicht wird die ganze Problematik im direkten Vergleich etwas klarer.

Zum Vergleich habe ich das Original der hochkomprimierten Aufnahme aus dem vorherigen Beitrag genommen. Hört man dieses Stück von Prince über eine Low-Budget-Anlage ist da mächtig Druck und Power. Je höherwertiger die Anlage wird, desto schlimmer wird das klangliche Empfinden. So ein Song ohne Pegelanpassung in einer Video-Show würde klanglich alles "kaputtschlagen".

Die Tabelle mit den Pegelwerten zeigt eine Übersteuerung von knapp 1 dB in beiden Kanälen. Übersteuerung geht aber nicht im digitalen Bereich, also entstehen sog. 0dBFS-Ketten. Hier bilden sich grausame Verzerrungen aus. Der RMS-Pegel (also die ungefähr empfundene Lautheit) liegt bei ~ -9 dB

Im Keisdiagramm ist "die rote Linie" (Übersteuerung) praktisch permanent. Klitzekleine Peaks in der Übersteuerung sind manchmal klanglich kaum merkbar, Die senkrechte Linie unter der Überschrift TPL lässt am obereen Ende sehr deutlich einen "Zacken" erkennen. Das deutet auf den brutalen Einsatz eines Limiters hin. Tontechnisch ist diese Aufnahme eigentlich Datenmüll.
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muster_ebu3.jpg (69.91 KiB) 4805 mal betrachtet

Vergleicht man die Werte mit dem Diagramm aus dem vorherigen Beitrag, könnte man meinen, dass jetzt alles in Ordnung ist, da ja z. B. im Kreisdiagramm und in der Pegelanzeige keine Übersteuerungen erkennbar sind. Dem ist natürlich nicht so. Denn die im Original vorhandenen Verzerrungen sind weiterhin vorhanden, sie sind nur leiser.


Aber die Sache mit der EBU hat auch Tücken. Im folgenden Beispiel habe ich eine extrem dynamikreiche Aufnahme und ohne Formatumwandlung (z.B. MP3) "in EBU konvertiert." Es ist in beiden Fällen das WAV-Format.
muster_ebu4.jpg
muster_ebu4.jpg (204.39 KiB) 4805 mal betrachtet
In der oberen Bildhälfte seht ihr das Original, achtet auf die tabellarischen Werte. Das Kreisdiagramm zeigt die enorme Dynamik und bis auf zwei kleine "Spratzler" am Ende gibt's keine besorgniserregende Übersteuerung.

Anders in der EBU-konformen Version. Eigentlich im gesamten Bereich Übersteuerungen, der Peak-Level ist höher, ebenso der RMS-Pegel, der aber wieder bei ~-19 dB liegt. Somit ist der Lautheitseindruck gegenüber anderen Aufnahmen wieder in etwa vergleichbar. Gleichzeitig ist der LRA-Wert niedriger, die Dynamik wurde kleiner.

Ich kann an der Stelle nicht ausschließen, dass das EBU-Tool diese Fehler verursacht, Ich muss aber auch einschränken, dass diese Aufnahme ein Extremfall ist. Auf der anderen Seite ist ein hoher Dynamikumfang im Bereich der Klassikmusik nicht so ungewöhnlich.

Für den Workflow: Wenn aus dramaturgischen Gründen extreme Dynamik im Ton nicht unbedingt erforderlich ist, lasst es. Dann ist die "Gleichheit" im Lautstärkeempfinden kein Hexenwerk.
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mapr
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nokl hat geschrieben: 22. Jun 2024, 09:03 Nachdem alles zusammengesucht ist, werden alle Musiktitel markiert und im Unternemü "Convert" mit dem EBU128-Normalizer in automatischer Stapelverarbeitung auf ein angelichenes Lautheitsniveau gebracht. Je nach Rechnerleistung ist das mehr oder weniger in ein paar Sekunden erleidgt.
Hallo,

Ich habe den EBU128-Normalizer installiert.
Nur sehe ich keine Möglichkeit, ihn bei "Convert" anzuwenden.
Kannst du mir mal bitte auf die Sprünge helfen?

Gruß

Matthias
nokl
Beiträge: 8
Registriert: 11. Jan 2022, 11:18

Hallo Mathias,

wir sind zur Zeit im Urlaub und ich habe nur das kleine Notebook ohne Foobar dabei. Deshalb versuche ich das mal aus der Erinnerung heraus...

Ich gehe davon aus, dass du das EBU-PlugIn korrekt installiert hast und du die aktuelle Foobar-Version nutzt.

Dann markierst du mit der rechten Maustaste deinen gewünschten Musiktitel (können auch mehrere sein). Mit der RECHTEN Maustaste öffnest du ein Untermenü, dort findest du den Punkt "Convert". Den klickst du an und es öffnet sich ein weiters Menü. In dem kleinen Menü findest du unten 3 Punkte. Anklicken und jetzt wird's interessant, denn jetzt kannst du in dem aufploppenden Menü einige Einstellungen vornehmen.

Da aus der Erinnerung, bin ich mir nicht sicher, ob die Reihenfolge stimmt...

Du kannst das "Output Format" bestimmen (MP3 oder Flac erfordern aber die entsprechenden Packer als PlugIn)

Dann kannst du mit "Destination" das Zielverzeichnis und eine Namensstruktur vorgeben. Dort kannst du z. B. angeben, dass hinter dem Dateinamen z. B. "_EBU" angefügt wird. So überschreibst du nicht das Original und hast gleich eine Kennzeichnung für deine Verwaltungsarbeit.

Unter "Processing" müsste bei korrekter PlugIn-Einbindung das EBU-Tool zu finden sein.

"Others" ist nicht sooooo wichtig, kannst du ja selbst checken.

Jetzt kommt's. Du kannst diese ganzen Einstellungen als Preset speichern, dabei natürlich für das Preset einen passenden Namen vergeben.


Rufst du später wieder "Convert" auf (denke an die rechte Maustaste), reicht ein Klick auf dein Preset und die ganzen Arbeitschritte laufen für alle ausgesuchten Musikdateien automatisch ab.

Versuche es mal. Wenn's nicht klappt, kann ich aber erst nach dem Urlaub mit ein paar Screenshots die Sache deutlicher machen.
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mapr
Beiträge: 53
Registriert: 20. Jan 2023, 13:14

Hallo,

deine Schritte passen soweit würde ich sagen.
Nur, dass ich bei "Processing" nicht das (eigentlich9 installierte) PlugIn finde.
Ich bin nächste Woche noch da und dann auch zwei Wochen im Urlaub.
Hat also keine Eile, ich würde mich melden, wenn ich wieder da bin.

Dir/euch noch einen schönen Urlaub.

Gruß

Matthias
Dateianhänge
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foobar2000components.jpg (75.35 KiB) 4393 mal betrachtet
nokl
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Hallo Mathias,

so, Urlaub beendet :-(

Dein Screenschot sieht erst einmal gut aus, deswegen gehe ich jetzt ohne Umweg zum Menü für die Convert-Aktion


Hier kannst du schon sehen, dass ich für verschiedenene Aufgaben verschiedene Presets habe.
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Unter dem Punkt "Output Format" lege ich mein gewünschtes Dateiformat fest. Je nach PlugIns kann das bei dir etwas abweichen. In meinem Beispiel wähle ich das wav-Format
convert2.jpg
convert2.jpg (40.67 KiB) 3501 mal betrachtet

In "Destination" lege ich den Ablageordner fest und kann auch den Dateinamen verändern. Hier habe ich den Dateinamen um "_EBU fuer Mathias" erweitert.
convert3.jpg
convert3.jpg (48.15 KiB) 3501 mal betrachtet
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